Die folgenden Aufzeichnungen entstammen der ersten Chronik der Feuerwehr Reichenau im Mühlkreis. Die Chronik dürfte anno dazumal beim zuständigen Schriftführer aufbewahrt worden sein. Einer davon war Max Hilpert, dessen Sohn Helmut (Mucki) bedauerlicher Weise seine ersten Schreibversuche in unserer Chronik vollführt hat (mehrere Seiten wurden offen- sichtlich herausgeschnitten sowie in anderer Reihenfolge eingeklebt). Der Zahn der Zeit nagte an den Dokumenten, die durch bewegte Zeiten bis heute erhalten sind und Zeugnis über die Entwicklung der Feuerwehr in unserer Gemeinde able- gen.
Die Schwierigkeit der Vereinsgründung ist aus den noch original erhaltenen Handschriften ersichtlich. Die ersten in Linz genehmigten Statuten aus dem Jahre 1879 sowie die zweiten Statuten des Feuerwehrvereines, die von der „Commune Reichenau“ im August 1882 genehmigt wurden, erhielten die Bescheinigung der k.u.k. Statthalterei in Linz erst am 6. Au- gust 1884. Demnach wurde damals das Gründungsjahr nach der Weiterleitung der genehmigten Statuten an die k.u.k. Statthalterei mit 1883 fixiert. Ein Gründungsfest wurde gemäß den
Aufzeichnungen erst im Jahr 1885 gefeiert.
Seit 1879 zeugen die Statuten sowie Protokolle, Zeitungsartikel und Bilder von der regen Vereinstätigkeit. Die nachfolgende Auflistung der prägenden Ereignisse der vergangenen 140 Jahre soll Zeugnis über die Entwicklung der Freiwilligen Feuerwehr Reichenau ablegen. Es handelt sich dabei um originale Abschriften der Texte im damaligen Wortlaut und der damaligen Rechtschreibung.
1. Erster Versuch der Gründung dieses Vereins
Der Gedanke, in unserem Markte eine Feuerwehr zu gründen, er- wachte schon im Jahre 1879, weshalb sich zur Bildung dieses Ver- eins ein Comité gebildet hatte, wobei sich Dank reger Teilnehmer besonders Herr Gaisberger, prakt. Arzt dermals in Reichenau, jetzt in Hellmonsödt, ferner die Herren Cajetan Peyrl, Georg Aichberger, Josef Seyr und Johann Hartl verdient gemacht hatten.
Die verfassten Vereinsentwürfe wurden der hohen k.u.k. Statthalterei in Linz zur Prüfung vorgelegt und von selber laut Dekret vom 16. Aug. 1879 unter Zl 3365 genehmigt. Das Commando des Vereins bestand damals aus dem Obmann Herrn Josef Gaisberger, Obmann Stellver- treter Herrn Georg Aichberger und dem Cassier Johann Hartl.
2. Ursache der baldigen Auflösung des Vereins
Nachdem das Comité wie an vielen Orten auch hier anfangs mit verschiedenen Hindernissen als der wären: missliche finanzielle Verhältnisse, ferner allerlei Vorurteile gegen die Absichten dieses Vereins und sonstige ungünstige Momente zu kämpfen hatte, na- mentlich die Herstellung einer neuen Saugspritze, selbst über be- hördliches Einschreiten, beinahe unerreichbar schien, so begann nach und nach der anfangs wohl sehr belebte Muth der Mitglieder zu sinken, sodass viele derselben ihren Austritt angemeldet hat- ten und die ganze Lebenskraft des Vereins derart geschwunden war, dass sich der damalige Obmann Herr Josef Gaisberger genö- thigt sah die Auflösung des Vereins anzumelden.
3. Wiederbelebung des Feuerwehr Vereins
Ermuntert von dem Entschluß unserer Commune welche die Gütehatte, eine neue Saugspritze anzukaufen und selbe dem Verein zur dienstlichen Verfügung zu stellen, wagte sich im Jahr 1884 das Comité der Feuerwehr nochmals, dieses wohltätige Institut ins Leben zu rufen. Mitglieder dieses Comités waren die Herren Georg Aichberger, Franz Horner, Josef Seyr, Johann Hartl. Im Ganzen besteht der Verein aus 50 Mitgliedern.
Nachdem sich der Feuerwehrverein nun neuerlich konstituiert hatte, wurden die Statutenentwürfe der hohen Behörde zur Genehmigung vorgelegt, und laut hohen Erlasses der k.u.k. Statthalterei in Linz vom 6. August 1884 unter Zl 9532/II im Sinne des §9 des Vereinsgesetzes vom 15. November 1867, K.G.Bl. Nr:134 vollinhaltlich bescheinigt.
4. Zweck des Vereins
Laut der Statuten ist der Zweck des Feuerwehr Vereins gemeinnütziges Zusammenwirken und Hilfeleistung bei Feuergefahr und sonstigen elementaren Unglücksfällen, um das gefährdete Leben und Eigentum des Nächsten zu schützen, und dadurch die Eintracht und den Gemeingeist unter den Mitgliedern zu heben, um im Dienst für den Nächsten, mit vereinten Kräften das zu erzielen, was einzelne Kraft nicht vermag.
5. Unterstützung und Erhalt des Vereins
Im Bewusstsein, in diesem Institute einem ebenso gemeinnützigen, als christlichen Zwecke zu dienen, wagte das Feuer- wehr-Commando auch, sich Ihre Bitte um huldvolle Unterstützung, nun darzulegen. Es möchte nicht langen, als sich im Ver- ein auch bald die erfreuliche Kunde verbreitete, daß unsere unterthänigste Bitte Erhörung fand und in k.u.k. apostolischer Majestät unser allergnädigster Kaiser und Landesvater unserem Verein eine huldvollste Spende von 80 Gulden als Unter- stützung zu verleihen geruhten, welche zur Ausrüstung verwendet wird usw.
Dafür erhebt sich unser dankerfülltes Herz am heutigen Tage himmelwärts.
Gott erhalte, Gott beschütze unseren Kaiser unser Land, segne ihn für seiner Liebe Unterpfand. Ferner erhielt unsere Feu- erwehr eine Unterstützung vom hohen ob.öst. Landes Ausschusse, von seiner Durchlaucht dem Fürsten Starhemberg und anderen Gönnern und Feuerwehrfreunden. Durch die freiwilligen Beiträge der Ehrenmitglieder und durch zufällige Asseku- ranzbeiträge erzielt der Verein einen kleinen Fond, und glaubt sich durch kräftiges Zusammenwirken zu erhalten u. zu stär- ken.
6. Erstmalige Gründungsfeier
den 28. Juni 1885
Am Tage der feierlichen Gründung des Vereins der freiwilligen Feuerwehr in Reichenau. Zur Erinnerung an diesen für den Feuerwehrverein Reichenau gewiss denkwürdigen Tag zeichnet sich mit einem
„Herzlichen Gut Heil“ Dessen Commando:
Es folgen die Unterschriften der Mitglieder und der anwesenden Feuerwehrkommandanten der anwesenden Gastfeuerweh- ren (Bad Leonfelden, Schenkenfelden, St. Veit, Gallneukirchen und Freistadt).
Gründungsfest der freiwilligen Feuerwehr in Reichenau
Die Bewohner unseres Marktes, hocherfreut endlich ihr mehrjähriges eifriges Bemühen einen humanen Verein, eine Feuer- wehr ins Leben zu rufen mit Erfolg gekrönt zu sehen, hegten schon lange den sehnlichen Wunsch, zum freudigen Gedächt- nis an die Gründung dieses Vereins in Gesellschaft von Collegen und der Nachbarvereine einmal ein Fest zu feiern, um ih- rer Freude über den langersehnten Sieg öffentlich Ausdruck zu geben. Zu diesem Zwecke erwählte man den 28. Juni 1885, einen Sonntag, um möglicherweise recht vielen Gästen die Teilnahme zu gewähren.
Schon am Vortage war alles beschäftigt, Vorbereitungen für den festlichen Empfang der Gäste zu treffen. Triumphbogen, Zuschriften, Kränze und Fahnenschmuck zierten unseren Markt der durch sein festliches Aussehen auf jedermann den Eindruck inniger Freude und Siegesfeier auszuüben im Stande war. Um 9 Uhr abends durchzog unsere Musikkapelle die Gassen des Marktes, freudvoll den nahen Festtag verkündend, doch eine zu befürchtende Gewitternacht machte etwas bange Sorge. Nun brach der Morgen heran. Neugierig blickte das erwachende Auge nach dem Fenster um das Wetter zu erkunden. Doch die gemachten Erfahrungen waren ziemlich trübe, denn der anbrechende Morgen war in graues Nebelkleid gehüllt. Bald war alles auf den Beinen, um das dem Festschmuck noch Fehlende zu ergänzen. Durch allseitige Beflaggung, Bilder, Dekorationen usw. 5 Uhr morgens erklangen die harmonischen Töne der Musik, zum Zeichen, dass nun der ersehn- te Tag angebrochen ist, dem man die Freude widmen will. Erheitert sich doch sonst bei dem harmonischen Tuen der Musik jedes menschenfreundliche Auge, so blieb diesmal Jupiters Antlitz verfinstert, und starrte verstörten trüben Blickes auf die Erd und ihre Bewohner hernieder. Man wechselte gegenseitig bezüglich der Witterung die Meinungen und hoffte auf die Macht und gütige Kraft der aufgehenden und höher steigenden Sonne. Aber nicht einmal diese vermochte die Trauer der Natur zu erheitern, die der Nebel taute zuweilen in einem Staubregen hernieder. Dem Programm gemäß begab sich unser Verein in Weglehners Gasthaus und hielt sich zum Empfange etwa erscheinender Festgäste bereit. Alsbald erschien auch wirklich eine Deputation des Veteranenvereins Freistadt und der Feuerwehr Schenkenfelden, worauf dann der Einzug zum Festgottesdienste erfolgte. Während des halben machten sich nach und nach Sonnenblicke bemerkbar, als ob sie uns win- ken wollten, dass es mit den Drohungen von Oben doch nicht so ernst gemeint sei. Nach Beendigung des Hochamtes be- gab sich unser Verein mit den anwesenden Deputationen wieder in Weglehners Garten und wartete in Anbetracht der sich immer günstiger gestaltender Witterung unter gemütlicher Conversation auf die bereits angemeldete Ankunft der Nachbar- vereine.
Zuerst erschien die Feuerwehr von Leonfelden mit ihrer Musikkapelle, dann die Feuerwehr von St. Veit, dann die Feuerwehr von Schenkenfelden und eine kleine Deputation der Feuerwehr Gallneukirchen. Dem Zufall ist es zu danken, dass sämtli- che Vereine in so nacheinander folgender Reihe erschienen, wodurch uns das Vergnügen gegönnt war all diese Vereine mit Musik und herzlichem „Gut Heil“ empfangen zu können. Um 1⁄2 3 Uhr ertönte der Sammelruf für unsere Feuerwehr wo dann die Hauptübung unserer jungen Feuerwehr begann, welche durch das tüchtige Commando und vorhergegangene Schulung glücklicherweise taktisch durchgeführt wurde, dass die anwesenden Vereine welche nahe dem ehemaligen Communebrau- hause und dem erhöhten Platze unseres Marktes Aufstellung nahmen und ihre Anerkennung aussprachen. Hocherfreut in Gegenwart der anwesenden Vereine eine glückliche Probe seiner Leistung abgelegt zu haben, rückte unser Verein mit der neuen Spritze wieder ein zum Depot, worauf dann die fremden Vereine in unserer Begleitung auf dem Sammelplatze der Feuerwehr vor dem Depot im geschlossenen Kreise Aufstellung nahmen, wo dann die Chronik des neugegründeten Vereins sowie ein zum Gedächtnis an das Gründungsfest gedichteter Prolog vorgetragen wurde. Nachdem die Commandos der an- wesenden Vereine über Ersuchen ihre Namen in die Chronik eingezeichnet haben, wurde der feierliche Festzug unter den Klängen der Musik vom Depot weg bis zum Obmann G. Aichberger nach der anderen Seite der Straße wieder herunter, ab- gehalten, wobei es Blumen und Kränze von allen Fenstern förmlich regnete, sodass sich alle Mitglieder des Zuges dekorie- ren konnten. Durch größere Kranzspenden zeichnete sich besonders das Haus des Hrn. Obmannstellvertreters Franz Hor- ner und das des Hrn. Josef Seyr aus, welche die Kränze von ihren Fräulein Töchter den Commandanten der Nachbarvereine überreichen ließen. Hierauf erfolgte der Einzug in Frau Theresia Maurers wohl vorbereiteten Gastgarten, wo die Abendunter- haltung in höchstamüsierender Weise stattfand. Die Musikkapellen Reichenau und Leonfelden trugen durch ihre anerken- nenswerten Leistungen zu der sich allerseits bemerkbarmachenden Heiterkeit das meiste bei. Besonders zeichnete sich unter der Leitung ihres rühmlich bekannten Kapellmeisters Herrn Urban die Musikkapelle Leonfelden aus, die durch ihre präzisen Leistungen sowohl, als auch durch Ausdauer unserer in Anbetracht des kurzen Bestandes jedenfalls verdienten Musikkapelle ihre große Aufgabe, die Gartenunterhaltung herzustellen, wesentlich erleichterte. Es wurden Toaste auf Ihre Majestät den Kaiser unter Anstimmung der Volkshymne, dann Toaste auf die anwesenden Vereine und deren Commandos usw. angestimmt. Herr Peter Klopf, Adjudant unserer Feuerwehr setzte in längerer gediegener Rede den Zweck der Feuer- wehr und den dadurch sich geltend machenden Patriotismus von pädagogischen Standpunkte auseinander, gab seiner Freude über das Zustande kommen dieses humanen Institutes und über die Gegenwart der vielen Gäste Ausdruck, erwähn- te die Güte und huldvollen Spenden Ihrer Majestät unseres allergnädigsten Kaisers und endete mit einem dreimaligen Hoch auf Seine Majestät unseren allergnädigsten Landesvater. So verliefen bei Frohsinn und heiterer Laune die Stunden dieses im steten Andenken zu behaltenden nachmittags an dem alle so recht erfahren konnten, dass woher sei der Spruch: Geteilte Freude ist doppelte Freude!
Denn des Frohsinns Macht bemeisterte alle, so dass selbst bei mehrmals in Folge der an den Grenzen unseres Horizontes hinziehenden Gewittern, uns streifenden Regens niemand drohte, den Gastgarten, die Stätte der Unterhaltung zu verlas- sen. Diese Ausdauer wurde daher auch entsprechend belohnt, denn der Abend gestaltete sich lieblicher und heiterer als man es erwartet hatte. Mit der niedertauchenden Sonne machten sich auch die Vereine der Reihe nach auf den Heimweg und schieden unter dem Geleite unserer Feuerwehr und Musikkapelle unter mehrfachem „GUT HEIL“ und der Versicherung uns gegenseitig, ein freundliches Andenken bewahren zu wollen, aus unserer Mitte. Möge die Gründung auch der Bestand unseres Vereins ein jederzeit glücklicher sein und durch blühendes Gedeihen stets zum Wohle unserer Mitmenschen eine segensbringende Wirksamkeit entfalten.
29.Juni 1885, Franz Öllinger jun. Schriftführer